Hoher Besuch in der Beims-Berufsschule
Ministerpräsident und Bildungsminister diskutieren mit Schulleitung die Integration ausländischer Jugendlicher
Mit neuen Ideen möchte die Beims-Berufsschule Jugendliche aus Flüchtlings- und Zuwandererfamilien fit machen für die Ausbildung. Neben den Erfolgen gibt es noch eine Reihe von zu lösenden Aufgaben.
Wie war das gleich mit dem Wickeln eines Kleinkindes? So ganz ohne eine bequeme Einwegwindel. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Bildungsminister Marco Tullner lassen sich das von Elma Numanovic erklären. Die 16-Jährige aus Bosnien lernt in einer Integrationsklasse in der Berufsschule „Hermann Beims“ in der Schilfbreite. Sie sagt: „Wenn man das ein paar Mal geübt hat, klappt das schon ganz gut.“
Gekommen sind die Mitglieder der Landesregierung aber nicht, um sich über das richtige Anlegen von Baumwolltüchern zu informieren. Ihnen geht es um die Ausbildung von jugendlichen Flüchtlingen und Zuwanderern. Und bei diesem Thema hat die Hermann-Beims-Schule in den vergangenen Jahren so viele Erfahrungen gesammelt, dass eine Reihe von Hinweisen aus dem Kollegium sich in den Empfehlungen der Landesverwaltung für andere Schulen wiederfinden.
Das Thema Integration ist von solcher Bedeutung, dass neben dem Ministerpräsidenten und seinem Minister Mitglieder des Landtages, Vertreter der Landes- und Stadtverwaltung und Oberbürgermeister Lutz Trümper erschienen sind. Reiner Haseloff sagt: „Entscheidend für den Einstieg in den Beruf ist das Erlernen der deutschen Sprache.“ Daran arbeitet die Berufsschule mit einem selbst entwickelten Programm, das den Spracherwerb mit der Berufsorientierung verknüpft: Anhand der Begriffe aus den verschiedenen Bereichen von der Körperpflege bis zur Technik tauchen die jungen Menschen aus 38 Ländern in die deutsche Sprache ein.
Voraussetzungen zum Start unterscheiden sich stark
Schulleiter Hans-Wolfgang Frase berichtet von den Aufgaben, die sich für die Lehrer auftun: „Wir sind dazu übergegangen, die Schüler zu testen. Denn sie kommen mit einem sehr unterschiedlichen Bildungsniveau und sehr unterschiedlichen Voraussetzungen zu uns.“ Die einen haben in ihrer Heimat bereits eine höhere Schulbildung genossen, andere sind Analphabeten. Entsprechend den Fortschritten der einzelnen Schüler habe sich der flexible Übergang in reguläre Klassen der Berufsschule bewährt.
Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln, hatten die Mitarbeiter der Berufsschule in der Schilfbreite vor allem im vergangenen Schuljahr. Zwar hatte die Einrichtung bereits im Schuljahr 2012/13 begonnen, sich intensiv mit der Integration von Migranten im Alter von 16 bis 18 Jahren zu beschäftigen. Doch innerhalb des Schuljahres 2015/16 schnellte die Zahl der Jugendlichen, die diese Angebote nutzen, von 57 auf 230 in die Höhe.
Ziel ist ein Platz in der Ausbildung
Ziel ist es, sie in eine reguläre Ausbildung zu bringen. Unter anderem haben im vergangenen Schuljahr 28 der Schüler ihren Hauptschulabschluss abgelegt. Zum neuen Schuljahr wurde jetzt eine Berufsfachschulklasse eröffnet, in der die Jugendlichen den Realschulabschluss oder den erweiterten Realschulabschluss erwerben können.
Nicht optimal gelaufen ist die weitere Vermittlung von der Berufsschule in die Ausbildung. Um hier eine Verbesserung zu erreichen, ist jetzt ein erster Termin mit der Agentur für Arbeit in der Schule vereinbart. Und auch mit der Handwerkskammer hat es Gespräche gegeben.
Bei allen Gemeinsamkeiten tauschen der Ministerpräsident und der Schulleiter auch einige kritische Positionen aus. Ein Beispiel ist der Bereich der Körperpflege, in dem die Gäste bei ihrem Besuch auf eine Mädchengruppe treffen, die sich u. a. mit dem Wickeln der Kleinkinder beschäftigen, während die jungen Männer im Nachbarraum mit Hilfe von Farbpartikeln die Weitergabe von Keimen und damit Fragen der Hygiene diskutieren. Die Begründung aus der Schule: Zu Beginn hatte gerade in diesem Bereich das gemeinsame Lernen zu Widerständen geführt. Das trifft bei Reiner Haseloff auf kein Verständnis: „Wer hier bei uns heimisch werden möchte, der muss sich auch in unsere Normen einfügen.“ Das, so Schulleiter Hans-Wolfgang Frase, funktioniere aber nach kurzer Zeit ganz gut.
Lehrern in der Region eine Perspektive geben
Auf der anderen Seite mahnt der Schulleiter an, das Engagement seiner Kollegen besser zu honorieren. Er sagt: „Es kann nicht sein, dass die Kollegen in anderen Bundesländern deutlich besser bezahlt werden.“ In Zeiten, in denen die Lehrer in vielen Bereichen knapp werden, werde sich das Sachsen-Anhalt nicht weiter leisten können. Wichtig sei es darüber hinaus, die unterschiedlichen Anforderungen an allgemein- und an berufsbildenden Schulen anzuerkennen.
Einigkeit derweil bei den Perspektiven, dass über das Förderprogramm Stark III in den kommenden Jahren die Lemsdorfer Schule als Ersatz für den Standort an der Schilfbreite hergerichtet werden soll: Auch wenn das Förderprogramm nicht mehr so üppig ausfällt wie vor Jahren, biete es eine sehr große Chance.
Quelle: Magdeburger Volksstimme, 19. August 2016; von Martin Rieß