Der Weg in die Ausbildung
Flüchtlinge von 16 bis 18 Jahre lernen an berufsbildenden Schulen Deutsch
Quelle: Volksstimme, 12. Januar 2016, Bild: BbS "Hermann Beims" Magdeburg
Zilan Daoud ist 17 Jahre alt. Seit sieben Monaten lebt die Syrerin in Magdeburg und büffelt derzeit an der Berufsbildenden Schule „Hermann Beims“ Deutsch. Sie sagt: „Einfach ist das nicht – aber es wird.“ Einen Monat länger ist Mervat Mohamad, ebenfalls 17 Jahre und aus Syrien aber seit acht Monaten in Magdeburg. „Wir lernen seit Anfang des Schuljahres in unserer Klasse.“ Die Klasse – das ist eine jener sechs Klassen für rund 90 Flüchtlinge zwischen 16 und 18 Jahren, die derzeit in Anlehnung an den Lehrplan für ein berufsvorbereitendes Jahr (BVJ) unterrichtet werden. Die Klasse der beiden Syrerinnen erlaubt dabei spezielle Einblicke in die Bereiche Wirtschaft/Verwaltung und Nahrungswirtschaft. „Welche berufliche Ausbildung wir nach diesem Jahr auswählen, wissen wir beide noch nicht“, sagt Zilan Daoud.
Müssen sie jetzt auch noch nicht – meint Schulleiter Hans-Wolfgang Frase. Wenn es um die schulische Integration Jugendlicher geht, ist er im Laufe der vergangenen Jahre zu einem Experten geworden. Seit dem Jahr 2012 werden hier Zuwanderer auf die Berufsausbildung vorbereitet. Der Oberstudiendirektor sagt: „Zunächst haben wir uns auf junge Menschen aus den EU-Ländern konzentriert, die im Rahmen von Programmen wie Mobil-Plus gerade für jene Wirtschaftsbereiche angeworben wurden, die trotz großer Anstrengungen keine Auszubildenden mehr finden.“ Inzwischen hat sich die Situation grundlegend geändert. Denn den größten Zuwachs an der Schule machen inzwischen die Kinder von Flüchtlingen und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus. Während zu Beginn des Schuljahres die BVS-Klassen, die als Instrument der Vorbereitung auf eine Ausbildung für einheimische Jugendliche schon lange bekannt sind, noch kleine Gruppen von kaum zehn Schülern zusammen lernten, sind viele Klassen inzwischen auf Schülerzahlen jenseits der 20 angewachsen. Dank des Austauschs der Lehrkräfte aus den berufstheoretischen und den berufspraktischen Unterrichtsteilen haben die Akteure der Hermann-Beims-Schule ein eigenes Programm entwickelt, dass sie als Deutschunterricht mit beruflicher Orientierung bezeichnen.
Dazu gehört, dass die neuen Schüler bei ihrer Ankunft zur besseren Eingliederung von der Schule selbst getestet werden. „Einige der Schüler haben zumindest rudimentäre Deutschkenntnisse, auf denen wir aber sehr gut aufbauen können.“ Die BVJ-Klassen decken jeweils zwei der Berufsbereiche Wirtschaft und Verwaltung, Körperpflege, Holztechnik, Farbe und Raumgestaltung, Textiltechnik, Agrarwirtschaft und Nahrung ab. Hans-Wolfgang Frase sagt: „Natürlich berücksichtigen wir nach Möglichkeit die Wünsche der Schüler – inzwischen ist das aber auch eine Frage der freien Plätze in den Klassen.“ Letztlich sei eine Zuordnung zu den Klassen auch abseits des Traumberufs kein Beinbruch, da sich die anschließende Berufsausbildung nicht an den Themen des BVJ orientiert. Der Schulleiter meint: „Letztlich gelingt es so ja zuweilen sogar, das Interesse auf bislang von den Schülern wenig beachteten Gebieten zu wecken. Und selbst die Erkenntnis ‚In diesem Bereich möchte ich nicht arbeiten' kann vor der Entscheidung über einen Ausbildungsweg sehr wertvoll sein.“
Ein wertvoller Lernprozess ergibt sich für die Mitarbeiter an der Berufsschule übrigens auch: In den sozialwissenschaftlichen Fächern, in denen sonst beispielsweise die Strukturen des politischen Systems in Deutschland erklärt werden, geht es im Falle der sechs BVJ-Klassen mit Flüchtlingen an erster Stelle mit darum, die Alltagskultur in Deutschland zu erklären. Die Lehrkräfte – für die sogar noch einige Stellen offen sind – werden damit zu Kulturbotschaftern. Hans-Wolfgang Frase: „Das Unwissen über die Kultur und die Regeln, die gelten, sind das, was zu Missverständnissen und völlig unnötigen Spannungen führen kann. Unsere Aufgabe ist es also auch, hier Bildungsarbeit zu leisten.“